Joachim Llambi redet Klartext, weil er weiß, dass konstruktive Kritik zum richtigen Zeitpunkt und mit dem richtigen Maßstab jeden Menschen weiter bringt. Dass er damit des Öfteren aneckt, nimmt er gerne in Kauf. In “Das wollte ich Ihnen schon immer mal sagen” erklärt er, wo und weshalb er die Bedeutung ehrlicher Kritik zu schätzen gelernt hat und was man dabei beachten muss.

Unter “Let’s Dance” Fans ist Joachim Llambi der Dieter Bohlen der Tanzszene. Hart geht er mit dem Prominenten, die sich dem Wettbewerb stellen, ins Gericht und nicht immer sind diese begeistert davon. Wer bislang dachte: “Ach das ist doch alles nur Show”, hat nur bedingt recht. Der Llambi, der ist nämlich wirklich so. Da liegt der Finger schnell mal an der Stelle, an der es weh tut. Und nicht immer sind seine Jurykollegen mit ihm einer Meinung. Aber seien wir mal ehrlich, auch wenn die Punkte, die er zieht, vielleicht insgesamt zu niedrig sein mögen, grundsätzlich daneben liegt er doch nie, oder? Das wäre auch verhängnisvoll. Schließlich war Joachim Llambi selbst jahrelang Profitänzer und ist heute noch Wertungsrichter. Fachlich sollte er also wissen, was er tut.
Die Börse, ein glattes Parkett
Doch die Profi-Karriere war nicht die einzige Schule, durch die Llambi in Sachen Kritik gegangen ist. Der gelernte Bankkaufmann hat lange Jahre als Börsenmakler in Frankfurt gearbeitet. Ein Parkett, auf dem man sehr schnell abstürzt, nimmt man sich die Kritik erfahrener Kollegen nicht schnell und ohne große Diskussion zu Herzen. Innerhalb von Minuten kann sonst eine erfolgversprechende Karriere beendet sein. Hier hat man nicht immer Zeit, auf den passenden Augenblick zu warten und nicht immer kann man alles unter vier Augen regeln. Manchmal muss das ganze Team erfahren, dass zum Beispiel ein Störenfried nicht unbehelligt seine Runden drehen kann.
Auch privat gilt: Kritik ist erlaubt!
Gleiches gilt aber auch für private Beziehungen. Wer immer zu lange wartet, bis er das, was ihm auf der Seele brennt, auf den Tisch bringt, neigt dazu, letztendlich über das Ziel hinaus zu schießen. Zu viel Emotion ist bereits angestaut, zu viel Ärger immer wieder herunter geschluckt, dass schließlich Scherben nicht vermeidbar sind. Deshalb ermutigt Joachim Llambi, rechtzeitig zu reagieren. Keine Scheu zu haben vor Kritik. Sie gehört zu unserem Leben und ist ein wichtiger Baustein für unsere persönliche und fachliche Entwicklung. Und wenn sie auf der Sachebene bleibt, die Fähigkeiten des Kritisierten berücksichtigt, ist sie das Beste, was uns passieren kann. Denn geredet wird sowieso. Wenn nicht mit uns, dann über uns.
Von wegen „Kleiner Wadenbeißer“
Ich gestehe, “Das wollte ich Ihnen schon immer mal sagen” hat mich positiv überrascht. Als gelegentliche “Let’s Dance” Schauerin fand ich Herrn Llambi immer amüsant. Ich habe in ihm das Modell “Kleiner Wadenbeißer” gesehen, das nach Regieanweisung ordentlich Kontra gibt. Gleichzeitig fand ich ihn wegen seiner Schlagfertigkeit und seines intelligenten Wortwitzes interessant. Sein Buch hat mir einen Llambi gezeigt, dem ich den ehrlichen Wunsch, andere voran zu bringen abkaufe – spätestens ab dem Moment, wo er auf die Notwendigkeit der passenden Maßstäbe und die passende Situation hinweist. Klar kann ich einen Anfänger nicht nach den gleichen strengen Kriterien beurteilen wie einen Profi mit Jahrzehnten Erfahrung. Und einem Menschen, der eben einen Angehörigen verloren hat, eine volle Breitseite in einer Fernsehsendung zu verpassen, wäre einfach geschmacklos.
Und jetzt zur Kritik
Natürlich habe ich auch Kritik. Der Titel schreit ja geradzu danach.
Herr Llambi, spätestens ab etwa Seite 100 hatte ich definitiv verstanden, was Sie mir sagen wollen. Für meinen Geschmack könnte man dann die nächsten 75 Seiten stark zusammenstreichen und gleich zu den Tipps kommen, was es beim Kritisieren zu beachten gilt. Und das könnte gerne noch etwas deutlicher werden, mit weniger Geschichtchen drumrum. Aber sonst: Herzlichen Glückwunsch, gutes Thema mit Temperament zu Papier gebracht. Wir lesen uns wieder.
Joachim Llambi
Joachim Llambi ist gelernter Bankkaufmann und arbeitet seit über 20 Jahren als Börsenhändler. Bekannt ist er als Chefjuror der RTL-Show „Let’s Dance“. Er tanzt seit seinem 17. Lebensjahr, 1989 wurde er Profi und nahm u. a. als Finalist an Welt- und Europameisterschaften teil.
Buchinfo: “Das wollte ich Ihnen schon immer mal sagen” von Joachim Llambi, erschienen bei Econ, Februar 2014, 256 Seiten, € 19,99, ISBN 978-3-430-20164-3
Und was hat das jetzt mit digitaler Kommunikation zu tun?
Die Frage ist berechtigt. Eigentlich würde man die Besprechung dieses Buches eher in Leselustich, meinem zweiten Blog erwarten. Doch gerade in den digitalen Medien, in der Community oder Social Media Szene erlebe ich zunehmend fehlende Selbstkritik aber eine hohe Kritikbereitschaft, wenn es um andere geht. Hier würde es manch einem gut tun, sich mal an die eigene Nase zu fassen, als immer nur mit dem Finger auf andere zu zeigen. Vielleicht ist „Das wollte ich Ihnen schon immer mal sagen“ ja ein willkommener Anstoß zu mehr Bewusstsein.
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