Personal Kanban ist eine einfach Methode, Aufgaben sowohl im beruflichen als auch privaten Umfeld einfacher zu planen und abzuarbeiten. Sie basiert auf zwei einfachen Regeln: “Stellen Sie Ihre Arbeit bildlich dar und machen Sie nicht zu viel auf einmal!”.

Die meisten von uns kennen es: Man hat viel zu tun, will alles im Griff behalten und verzettelt sich früher oder später total. Um dem ab zu helfen, schreiben wir Listen und beginnen, sie abzuarbeiten. Was fertig ist, wird durchgestrichen.
Prioritäten verschieben sich
Dummerweise verschieben sich aber dann die Prioritäten. Mal ganz abgesehen davon, dass sie immer länger wird, weil neue Aufgaben dazu kommen. Und wenn wir Pech haben, rutscht sie auch noch versehentlich in den falschen Stapel und zwingt uns, entweder eine neue Liste zu schreiben oder wertvolle Zeit in die Suche zu investieren. Ich hasse es.
Für die Verlagerung meiner beruflichen Aktivitäten auf virtuelle Teams und Homeoffice musste eine effektivere Methode her. Kanban geisterte mir im Hinterkopf herum.
Kennengelernt hatte es bei meinem alten Arbeitgeber. Beziehungsweise die Entwickler haben es kennengelernt. Meine Abteilung wurde irgendwann zu täglichen “Stand-Up-Meetings” verdonnert, die ich in der damaligen Form eher als “Antreten zum Rapport” empfunden habe. Da auf die Hintergründe der Methode nicht näher eingegangen wurde und ich zudem für meinen Arbeitsbereich alleine verantwortlich war, hat sich mir der Sinn nur bedingt erschlossen.
Sehen wie die Arbeit “läuft”, motiviert
Klar, ich fand es schick, die Aufgabenzettel über das Whiteboard wandern zu sehen, aber wem sollte ich erzählen, was ich den Tag über mache? Zumal vieles sowieso auf Zuruf eingeflickt werden musste, weil man bei der Planung vergessen hatte, dass neue Features auch kommuniziert werden müssen, man aber unbedingt noch am gleichen Tag live gehen wollte.
Aber ok, wird wohl seinen Grund haben, dass mir Kanban gerade jetzt wieder durch den Sinn schieß, dachte ich mir. Also mal schauen, was Google dazu sagt.
Personal Kanban klang auf Anhieb gut. „Nur wenige Regeln zu beachten“ auch.
- Stellen Sie Ihre Arbeit bildlich dar
- Machen Sie nicht zu viel auf einmal
- Achten Sie darauf, was in Ihrem Leben passiert
Und ein ganz aktuelles Buch gab es dazu auch. Für mich als Buchfetischistin immer ein Volltreffer.
“Peronal Kanban” von Jim Benson und Tonianne DeMaria Barry ist ein hervorragendes Anfängerbuch für alle, die völlig neu im “Kanban-Geschäft” sind. Sehr gut finde ich den Hinweis:
Nutzen Sie dieses Buch als Ratgeber, Starthilfe oder Mentor, aber lassen Sie es nicht zu Ihrer Bibel, Ihrem Feldwebel oder Ihrem Diktator werden.
Personal Kanban muss sehr flexibel sein, denn gerade in unserem privaten Bereich passiert vieles, das wir nicht direkt beeinflussen können. Züge verspäten sich, Die Schule fällt aus und die Kinder sind plötzlich daheim zu versorgen. Der Wagen muss kurzfristig in die Werkstatt. Solche Situationen haben natürlich auch Einfluss auf unsere Arbeit.
Aufgaben transparent visualisieren
In solchen Momenten ist es egal. wie wir etwas erledigen. Es zählt, dass ich selbst oder jemand aus dem Team es erledigen kann. Dazu müssen die Aufgaben und ihr Status, also wie weit ist diese Aufgabe bereits gediehen, transparent darstellbar sein.
Indem jede Aufgabe auf ein eigenes Kärtchen geschrieben und an das Kanban-Board, eine Pinnwand, ein Whiteboard, eine Ecke des Schreibtisches, einen Notizblock oder an die nackte Wand gepinnt wird, ist sie für alle sichtbar. Gleichzeitig haben wir den Kopf frei und können und ganz dem widmen, was wir gerade angefangen haben. Der Rest ist ja sicher im sogenannten “Backlog” notiert.
Tages- beziehungsweise Wochenplan definieren
Am Morgen – oder auch am Abend als Vorbereitung für den nächsten Tag, ganz wie gewünscht – werden die Aufgaben, die an diesem Tag angegangen werden sollen, in die nächste Spalte gezogen. Dabei ist auf Prioritäten oder Abhängigkeit von anderen Aufgaben zu achten..

Ab sofort weiß das ganze Team, was auf dem Programm steht. Nach dem Pull-Prinzip, also dem Hol-Prinzip, ordnet sich jede/r im Team seine Aufgabe zu. Auch hier gilt es, ein paar Kleinigkeiten zu beachten:
- Nie zu viele Aufgaben auf einmal beginnen. Das blockiert uns und wir neigen dazu, uns zu verzetteln
- Prioritäten beachten aber auch
- Persönliche Vorlieben beachten. Wenn jemand in einem Bereich besonders gut ist und die Aufgabe zudem gerne macht, sollte man sie ihm/ihr – wenn möglich – überlassen.
- Niemandem wird eine Aufgabe zugewiesen. Jeder nimmt sich die nächste vor, wenn er mit der begonnenen fertig ist.
Was lief gut, was lief schlecht?
Ist eine Arbeit erledigt, wandert der Zettel in das “Erledigt”-Feld. Am Ende des Tages oder der Woche sieht man so sehr schön, was man alles geschafft hat. Die Frage nach dem “was habe ich eigentlich heute den ganzen Tag getan”, erübrigt sich.
Zum Kanban-Prinzip gehört aber auch, das Erreichte regelmäßig zu reflektieren. Also die so genannte Retrospektive.
- Was lief besonders gut und warum?
- Wo gab es Schwierigkeiten oder Verzögerungen und warum?
- Wie kann man solche Situationen künftig vermeiden und damit den Prozess verbessern?
Wenn wir diesen Schritten folgen, werden wir feststellen, dass größtmögliche Klarheit in der Definition der Aufgaben zu größtmöglicher Qualität und Zufriedenheit führt. Und zwar ohne den üblichen Stress und ohne das ständige Gefühl, irgendwas vergessen zu haben.
“Personal Kanban”, eine Anschaffung, die sich lohnt
Auch wenn die Hauptinformationen zu Personal Kanban eigentlich in wenigen Sätzen zusammengefasst werden können und mir der mittlere Teil etwas zu langatmig war, lohnt sich in meinen Augen die Anschaffung dieses Buches. Es hat mich an vielen Stellen angeregt, meine Haltung zu meiner Arbeit komplett zu überdenken. Und es hat mich in meiner Grundhaltung bestätigt, an den Ursachen von Problemen zu arbeiten und mich nicht mit überflüssigen Schuldzuweisungen aufzuhalten.
Nicht zu vergessen das kritische Hinterfragen, wenn wir etwas erledigen sollen. Nur wenn wir das WARUM kennen, können wir unsere Arbeit gut und in angemessener Zeit erledigen. Mögen manche Vorgesetzte Konversation auch noch so sehr als Zeitverschwendung ansehen. 😉
Autoren und Übersetzerin
Jim Benson ist CEO bei Modus Cooperandi. Er unterstützt seine Kunden darin, nachhaltige Managementsysteme zur Zusammenarbeit zu erstellen. Dabei verbindet er die Lean-Prinzipien der Fertigung, die agilen Methoden aus der Softwareentwicklung und die neuen Möglichkeiten in der Kommunikation durch die sozialen Medien für sein Verfahren und die Werkzeuginfrastruktur. Jim hat Personal Kanban entwickelt.
Tonianne DeMaria Barry ist CEO bei Renaissance Consulting. Ihre Karriere als Beraterin umfasst sowohl die Modeindustrie, staatliche Stellen und gemeinnützige Verbände als auch Fortune-100-Unternehmen, Start-ups und internationale Entwicklungsgesellschaften. Sie hat mit Jim bei Modus Cooperandi in einer Reihe von Projekten zusammengearbeitet.
Übersetzerin: Meike Mertsch ist als Softwareentwicklerin bei it-agile GmbH in Hamburg tätig. Sie beschäftigt sich seit Längerem mit leichtgewichtigen Methoden wie Kanban und Personal Kanban sowie agilen Entwicklungs- und Testmethoden.
Informationen zum Buch: “Personal Kanban” von Jim Benson und Tonianne DeMaria Barry, erschienen beim dpunkt-verlag, Januar 2013, 164 Seiten, Broschur. € 29,90, ISBN: 978-3-89864-822-6
Mehr zum Thema Kanban
Wie man dieses Prinzip auf virtuelle Teams übertragen kann – wenn die Mitarbeiter an unterschiedlichen Standorten sitzen, nutzen ihnen die Postits an irgendwelchen Whiteboard in der Zentrale ja nichts, erkläre ich in meiner nächsten Folge zum Thema “Personal Kanban”.
Wer nachlesen möchte, weshalb ich mich überhaupt gerade jetzt mit dem Thema befasse und was ich bereits nach der dritten “Übungswoche” in meinem Arbeitsverhalten geändert hat, kann es unter “Kanban: Die Arbeit ins rechte Licht rücken” nachlesen.
Eine Übersicht über einige Tools für Kanban mit Coworkern an verschiedenen Standorten gibt es im Tool-Test.
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